Ein Gastbeitrag von Frank W. Haubold
Es kommt zwar zunehmend seltener vor, aber zuweilen geschieht im etablierten Politbetrieb der Bundesrepublik dennoch ein kleines Wunder: Da setzt sich doch ein SPD-Bundestagsabgeordneter tatsächlich vehement für die Interessen seiner Wähler ein, anstatt wie viele seiner Kollegen mit den Mächtigen zu kungeln und die pekuniären Vorzüge seines Mandats zu genießen.
Viele Freunde dürfte sich der SPD-Rechtsexperte Florian Post in Partei und Fraktion nicht gemacht haben, als er einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gegen die sogenannte „Bundes-Notbremse“ stellte. Der Freiburger Rechtsexperte Prof. Dietrich Murswiek hatte den Antrag bereits am 22. April in Posts Auftrag eingereicht.
Daraufhin passierte das, was in Karlsruhe regelmäßig geschieht, wenn Klagen oder Anträge eingereicht werden, die der Bundesregierung unangenehm werden könnten, nämlich entweder nichts wie in diesem Fall, oder eine Ablehnung aus fadenscheinigen Gründen.
Aktiv wird man in Karlsruhe nur, wenn der Zeitgeist zu bedienen ist und man sich des Wohlwollens des politmedialen Komplexes sicher sein kann. Dann setzt man sich sogar an die Spitze entsprechender Kampagnen und beschließt zum Beispiel bar jeglicher Sachkunde, dass die Bundesrepublik das Weltklima zu retten habe. Ein Gericht, das lobbygetrieben auf der Basis fiktiver Szenarien Entscheidungen fällt und dabei sogar die bürgerlichen Grundrechte in Frage stellt, macht nicht nur sich selbst zum Gespött, sondern ist eine Gefahr für die Demokratie und die Gewaltenteilung.
In Sachen „Bundes-Notbremse“ und der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen, die sogar nach Ansicht von Bundestags-Juristen rechtlich fragwürdig sind, hielt sich das BVerfG dagegen auffällig zurück und unternahm frei nach dem Motto „Eile mit Weile“ zunächst einmal gar nichts. So mancher Antragsteller hätte sich daraufhin zurückgelehnt und gesagt: „Ich habe es ja wenigstens versucht. Zum Arbeiten kann ich das höchste bundesdeutsche Gericht ja nicht zwingen.“
‘Es entsteht der furchtbare Eindruck der Gleichschaltung‘
Nicht so Florian Post, der seinen Wählerauftrag offenbar so ernst nimmt, dass er gegenüber der Presse Klartext sprach. Zitat: „Es ist empörend, wie die Bundesverfassungsrichter den Eilantrag verzögern, während die Bundesregierung die juristisch höchst umstrittene ‚Bundes-Notbremse‘ sogar noch verlängern will. Das Karlsruher Gericht verhält sich damit wie ein politischer Erfüllungsgehilfe, statt seine Aufsichtspflicht wahrzunehmen. Es entsteht der furchtbare Eindruck der Gleichschaltung.“ (!) So etwas hört man naturgemäß weder in Berlin noch in Karlsruhe gern, aber das ist nun einmal das Wesen unangenehmer Wahrheiten. Und der wackere Volkstribun setzte sogar noch einen drauf, indem er sich gegenüber „BILD“ laut fragte, „wie tief sich der Präsident des Gerichts als ehemaliger CDU-Abgeordneter bei der Kanzlerin in der Schuld sieht“.
Gemeint ist damit Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats und seit 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichtes. Dieser umtriebige Jurist saß nicht nur lange Jahre als CDU-Abgeordneter im Bundestag, sondern machte auch durch seine exorbitanten „Nebeneinnahmen“ als Rechtsanwalt von sich reden. Für mich ist die Ernennung dieses Herrn zum Verfassungsrichter mehr als nur fragwürdig, denn angesichts derart langjähriger und intensiver Zusammenarbeit mit führenden Bundespolitikern, unter anderem in der Europa-Union Parlamentariergruppe (!) kann von richterlicher Unabhängigkeit nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Der Verdacht, dass der Vertraute von Bundeskanzlerin Merkel als Verfassungsrichter eher die Interessen der Parteien und der Bundesregierung schützt als das Grundgesetz und die Rechte des vorgeblichen Souveräns, ist vor diesem Hintergrund kaum von der Hand zu weisen.
So gesehen stellt der SPD-Politiker nur eine Frage, die eigentlich die Medien stellen müssten, und das nicht erst seit heute, sondern bereits vor der Wahl Stephan Harbarths zum Verfassungsrichter: Wie kann die Gewaltenteilung als Grundlage eines demokratisch verfassten Gemeinwesens funktionieren, wenn Lobbyisten der Parteien höchstrichterliche Ämter ausüben? Die ernüchternde Antwort lautet: gar nicht.
Auch der Verfassungsexperte Prof. Murswiek findet diesbezüglich klare Worte: Zitat: „Statt unserem Antrag zügig stattzugeben und rechtsstaatliche Verhältnisse in der Corona-Bekämpfung wiederherzustellen, tut das Bundesverfassungsgericht gar nichts.“ In dieser Weise „den Eilantrag auszusitzen“, widerspreche dem Auftrag des Gerichts, so Murswiek: „Es wäre ein Aussitzen zugunsten der Regierung.“
[themoneytizer id=“57085-3″]
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Text: Gast
[themoneytizer id=“57085-1″]